Gegen das Einheitgrau des Alltags

Ein Treppenhaus wählt Farbe

Ein Tag im Mai 1989

Auf den Treppenstufen, auf weißem Tischtuch, stehen mehrere Schüsseln frisch angerührten Kräuterquarks. Zitronenmelisse, Petersilie Pimpinelle und ein Zettel: Bitte probieren! Lecker !! Dazu Kartoffel-Reibekuchenlecker und ein Feten-Standard: Schmalzstullen. Da lasse ich mich nicht lange bitten. Mhmmm… An der Tür begrüßt mich Frank. „Und, wie gefällt’s dir?“ „Was ein wenig Farbe doch alles ausrichten kann“, lache ich. Das Treppenhaus erstrahlt in mattem Beige. Keine Spinnenweben, kein abgeblätterter Putz mehr. „Gute Arbeit, mein Freund.“

Der 7. Mai 1989, der Tag der letzten Kommnualwahlen in der DDR, ist ein ganz normaler Sonntag und ich glaube sogar, gewählt zu haben. Am Abend hat ein Freund zu einer Feier eingeladen. Frank Mischok, schon damals ein begnadeter Maler und Zeichner, der seiner Berufung aber erst ein paar Jahre später folgen und im In- und Ausland bekannt werden sollte.

Die Tristess seines Hauses satt, hatte Mischok eines Tages beschlossen, dem Treppenhaus einen neuen Anstrich zu verpassen. Material und Rohstoffe sind in der DDR knapp. Verschönerungen und Reparaturen werden meist nur an Prestige- oder systemrelevanten Objekten vorgenommen, wenn überhaupt. Da hilft nur Eigeninitiative.
Und dieses Werk, das verschönte Treppenhaus, wollen wir an diesem Abend feiern.

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Das Leben läuft in geordneten Bahnen … wir sind Mitte Zwanzig und wollen leben. Die große Politik interessiert meist nur am Rande. Wenn wir nicht gerade im Empfangsgebiet westlicher TV- und Radiosender lägen, vielleicht würde mich bzw. uns das alles nicht interessiert. Was man nicht weiß, macht einen bekanntlich nicht heiß.
Der Grund, dass Westsender verboten bzw. verpönt sind. Nur dass sich wohl niemand daran hällt.
Manchmal gelingt jemandem die Flucht in den Westen, man hört von Ausreiseanträgen,
Biermanns Ausbürgerung, Manne Krugs Weggang. Bekannte Namen, die irgendwann auch im Westfernsehen auftauchen. „Auf Achse“, was habe ich diese Serie geliebt!
Und was läuft auf DDR I + II ?? Familienserien und Polizeiruf. Dann „Der Schwarze Kanal“ und die „Aktuelle Kamera“, im einen läßt sich Karl-Eduard von Schnitzler (Spitzname Sudel-Ede) in Haßtiraden über die BRD aus, im anderen werden Erfolge en masse gefeiert. Kein Wunder, dass DDR und SED bei der vielen Schulterklopferrei zu Boden gehen muß. Dazu bedarf es keines Schwergewichtsboxers ala George Foreman oder Muhammad Ali. Schwarz-Weiß Malerei der aller feinsten Art.

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