Ich rede nicht für den Bundestag, die können sowieso nicht zuhören

Nachdenken über Deutschland

Mit seinem neuen Buch   „Nachdenken über Deutschland – Wie weiter ?“   ist   Gregor Gysi   derzeit auf Lesereise. Am Sonntag ist er in Magdeburg zu Gast.
Der Fraktionsvorsitzende der LINKEN ist vielseitig, redegewandt, unterhaltsam und dabei äußerst charmant. So erleben ihn die Zuhörer, die ins Theater der „Grünen Zitadelle“ gekommen sind. Und: Gysi ist nicht nur Anwalt, Politiker und Autor sondern auch Moderator. Immer wieder sonntags empfängt er in seiner Talkshow „Gysi trifft Zeitgenossen“ Gäste aus Kultur und Kunst, aus Politik und Gesellschaft zum Gespräch im Deutschen Theater in Berlin.

„Ich rede nicht für den Bundestag, die können sowieso nicht zuhören. Ich rede für die Zuhörer in Rundfunk und Fernsehen“ erklärt Gregor Gysi lachend.
Wie er bemerkt, werde er jetzt von Leuten eingeladen – u.a. aus der Wirtschaft – von denen er sonst nicht eingeladen worden wäre. „Sie nehmen uns, die Linkspartei, ernst. Wir haben etwas geschafft, was man sich 1989 nicht hat vorstellen können. Akzeptierter Teil der Gesellschaft zu sein. Je stärker wir werden, umso mehr ändern sich die anderen Parteien“.
Mit Blick auf die Altersarmut, ein für ihn sehr wichtiges Thema ist, erklärt Gysi, „Voraussetzung ist, dass im Osten wie im Westen endlich für gleiche Arbeit gleicher Lohn gezahlt wird“. Und: Die Linke müsse nicht nur für die sozial Schwachen, sondern auch für die Mitte der Gesellschaft da sein.
Gysi sieht ein generelles Problem in der demografischen Entwicklung, die dazu führt, dass das Rentenniveau stark abgesenkt wird. Zum Schutz der jungen Leute, die jedoch später darunter werden leiden müssen. Wie sollen sie für später vorsorgen, wenn sie jetzt nichts einzahlen, nichts einzahlen können?
„Die Rente muss an die Produktivitätsentwicklung angebunden werden, um den Standard, den man sich aufgebaut hat, im Alter halten zu können“, so Gysi. Weiterhin sei es notwendig, dass alle in die Rentenkassen einzahlen. Auch Beamten und Selbständige.

„Laut Statistik hat Deutschland den größten Niedriglohnsektor Europas“, erklärt Gregor Gysi.
Einen Seitenhieb auf die Sozis kann er sich nicht verkneifen: „Was ist daran noch sozialdemokratisch, die Altersarmut zu finanzieren. Es ist schließlich das Erwerbsleben, das über die Rente entscheidet“.

Zum aktuellen Thema, der Krimkrise Stellung beziehend kritisiert Gysi den Russischen Präsidenten, der glaube alles militärisch regeln zu können. Russland habe an Einfluß verloren, ebenso wie die USA. Die Zeit sei vorbei, wo die anderen Länder das machten, was ihnen die beiden Großen – USA und Russland – vorgeben. Derzeit kämpfen beide um den Erhalt und den Ausbau ihrer Einflußsphären. Mit der Osterweiterung, der Aufnahme ehmaliger Oststaaten in die NATO fühlt sich Russland selbstverständlich bedroht.
Als Sieger glauben die USA machen zu können, was sie wollen, wie in Afghanistan, Libyen oder im Irak, brechen dabei das Völkerrecht.

„Wir dürfen Europa nicht ohne oder gegen Russland machen, sondern mit Russland“. Und weiter, mit einem zwinkernden Auge, „wenn Kreuzberg sich entscheidet, zur Türkei zu gehören, was dann“?

Zwei kurzweilige Stunden sind schnell vorbei. Am Ende ließen sich viele Gäste die Chance auf eines der wenigen Exemplare seines Buches, das bereits in 2. Auflage vergriffen ist, und eine Signatur nicht entgehen.

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