Wie die künftige Politik Sachsen-Anhalts aussehen könnte

IHK ludt zum Wahlforum

In gut drei Monaten es wieder soweit – der Landtag von Sachsen-Anhalt wird gewählt. Hierzu veranstaltete die Industrie- und Handelskammer Magdeburg heute das sogenannte Wahlforum, auf dem die Spitzenkandidaten der maßgeblichen Parteien während einer Podiumsdiskussion darstellen konnten, wie sie in den kommenden Jahren Politik in Sachsen-Anhalt gestalten wollen.
Wer nach der Landtagswahl den politischen Ton im Lande angeben wird, werden die Wähler am 13. März 2016 entscheiden können. Wie die Spitzenkandidaten der einzelnen Parteien zukünftig die Landespolitik gestalten möchten, erläuterten sie heute auf einer Podiumsdiskussion in der Johanneskirche.

Am Beginn stellte Mister-Tagesschau, Jan Hofer, der die Moderation übernahm, den Kandidaten die Frage, wie für sie Sachsen-Anhalt im Jahr 2020 aussehen solle. Die Antworten darauf waren überwiegend austauschbar. Jeder sprach sich für Wirtschaftswachstum, Ansiedlung neuer Unternehmen, eine bessere Bildung und Infrastruktur und natürlich auch für Familienfreundlichkeit aus. Zuwanderung wollen ebenso alle als Chance verstanden wissen, so auch der CDU-Fraktionsvorsitzende im Landtag von Sachsen-Anhalt, Herr André Schröder. Dieser vertrat den Ministerpräsidenten, Dr. Reiner Haseloff, weil dieser zeitgleich die Ministerpräsidentenkonferenz besuchte.

Geschickt aber durchschaubar räumte Schröder zunächst ein, dass die aktuelle Regierung nicht alle selbstgesteckten Ziele erreicht habe. Um anschließend doch noch eine Lobeshymne auf die eigene Arbeit zu singen. So habe man beispielsweise beim Internet-Ausbau spät, aber nicht zu spät reagiert. Die Erfolge aber könnten sich auch sehen lassen. So habe das Land im Bildungsvergleich gegenüber anderen Bundesländern aufholen können, das Pro-Kopf-Einkommen sei gestiegen und der Schuldenstand gesunken. „Das Land steht heute besser da als 2011“, so Schröder.

Der Oppositionsführer, Wulf Gallert (Die Linke), zog naturgemäß eine weniger gute Bilanz. „Die Wirtschaft ist in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland um 21 Prozent gewachsen, in den ostdeutschen Bundesländern um rund elf Prozent, in Sachsen-Anhalt allerdings nur um zweikommafünf Prozent“, führte er aus. Die Regierung habe, so Gallert weiter, mit Sachsen-Anhalt als Billiglohnland geworben sowie Unternehmen von außen eingekauft und die einheimische Wirtschaft zu wenig gefördert. Niedrige Löhne gepaart mit einer harten Sparpolitik und zahlreichen Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst, zum Beispiel in der Bildung, habe für viele Menschen eine Signalwirkung gehabt. Sie haben das Land verlassen.

Die anfängliche Einigkeit im Hinblick auf die zukünftig gewünschte ökonomische Entwicklung des Landes erfuhr beim Thema Nordverlängerung A 14 eine Spaltung.
Prof. Dr. Claudia Dalbert (Bündnis 90/DieGrünen) sagte, dass der Trassenbau noch in weiter Ferne liege. Zudem sei die Finanzierung nicht gesichert, da man sich auf Geldtöpfe verlasse, die so bis zum Baustart nicht mehr vorhanden sein würden. Sie räumte allerdings ein, dass „das Rumfahren da oben keinen Spaß macht.“ Um die Verkehrssituation schneller zu entspannen, sprach sich Dalbert stattdessen für einen Ausbau der Bundesstraßen und den Neubau von Ortsumgehungen aus.

„Wir könnten schon viel weiter sein“, warf Katrin Budde (SPD) in die Runde. Zahlreiche Klagen würden das Bauvorhaben immer wieder verzögern. Dem entgegnete Gallert, dass es kein zielführendes Argument sei, wenn man Umweltorganisationen vorwirft, dass sie ihr legitimes Klagerecht nutzen. Vielmehr sollte man von anderen Bundesländern lernen.
So hätte Mecklenburg-Vorpommern die Umweltverbände in die Planungen mit einbezogen und damit viele Klagen von vornherein vermieden. Die Linke habe schon vor 20 Jahren für den Ausbau der Bundesstraßen plädiert, konnte sich jedoch nicht durchsetzen und nun sei nur noch die A 14 als realistische Alternative geblieben, so Gallert.

Auf das Thema Asyl, direkt vom Moderator angesprochen, versuchte Schröder, die von Haseloff geforderte Höchstgrenze von 12.000 Flüchtlingen zu erklären. Schröder erklärte, dass es sich dabei um gar keine Forderung nach einer Höchstgrenze gehandelt hätte. Stattdessen habe er gemeint, dass man 12.000 Asylbewerber pro Jahr in den Arbeitsmarkt integrieren könne.

Durch diverse europaweite Verteilungsschlüssel ließen sich die Flüchtlinge seiner Ansicht nach so verteilen, dass auf Sachsen-Anhalt dann doch nur noch 12.000 entfielen. Eine steile These. Bisher gibt es in der EU nämlich keinen festen Verteilungsschlüssel. Auf welcher Datenbasis der Ministerpräsident genau auf 12.000 Personen kommt, die jährlich in den Arbeitsmarkt integrierbar seien, ließ Schröder offen. Einerseits betonte Schröder, dass sich Sachsen-Anhalt zum Königsteiner-Schlüssel bekenne und nach dessen Maßgabe weiterhin Flüchtlinge aufnehme, andererseits sprach er dennoch wieder von einer Obergrenze – zur „Steuerung und Gestaltung“. Was genau Haseloff nun wirklich meinte, sollte dieser bei Gelegenheit am besten selbst noch einmal erläutern.

Die SPD-Kandidatin widersprach Schröder vehement. Obergrenzen im Asylrecht gebe es in Deutschland grundsätzlich nicht, das sei „grober Unfug“ und aus dem Grundgesetz klar ersichtlich, so Budde. Darüber hinaus könne ein Bundesland nicht einseitig bestimmen, wie viele Flüchtlinge es aufnimmt oder wie viel Geld es in den Länderfinanzausgleich einzahlen möchte.

Gallert bezeichnete die Nennung einer bestimmten Zahl verantwortungslos. „Das suggeriert wir hätten die Menschen bestellt und könnten diese auch wieder abbestellen. Wir haben sie aber nicht bestellt, sie flüchten vor Krieg.“ Man müsse die Leute, die kommen, als Chance sehen. Sie seien aber nur dann eine Chance, wenn man dafür die Basis schaffe. Die Forderung nach einer Aussetzung des Mindestlohnes sei keine Basis für eine gelingende Integration, sondern die Basis für weiter zunehmende rechte Gewalt.

Frau Dalbert folgte Gallert in der Argumentation und nannte die Debatte, die CDU / CSU und Haseloff führen, „brandgefährlich“. Deren Debatte tue so, als kämen die Menschen aus Spaß an der Freude. „Nein, sie fürchten um Leib und Leben und werden auch kommen, wenn statt Taschengeld Gutscheine ausgegeben werden“, so Dalbert. Statt immer wieder neue Vorschläge zu diskutieren, die keine rechtliche Basis hätten, sollte sich die Politik endlich den Herausforderungen stellen. „Ein Drittel der Flüchtlinge in Sachsen-Anhalt sind minderjährig. Das sollten wir als Chance begreifen und Politik muss dafür sorgen, dass sie sich willkommen fühlen und nicht bei nächster Gelegenheit das Bundesland verlassen.“

Am Ende stellte Hofer die Frage aller Fragen: Wer mit wem? Schröder hob den Anspruch der CDU hervor, als stärkste Kraft aus der Landtagswahl herausgehen zu wollen. Zunächst kämpfe die CDU daher für sich allein und nach der Wahl schaue man sich nach einem geeigneten Koalitionspartner um. Insgeheim gibt man sich hier wohl der Illusion hin, allein regieren zu können.

Realistischer geht Frau Budde das Thema an und nennt eine rot-rot-grüne Koalition als Wunschkombination. Dies allerdings nur mit ihr als Ministerpräsidentin, einem Kabinett unter Gallert wollte sie nicht angehören.

Gallert hätte am liebsten ebenfalls eine rot-rot-grüne Koalition, jedoch mit der SPD als Juniorpartner und einem linken Ministerpräsidenten.

Frau Dalbert wünscht sich für ihre Partei eine Regierungsbeteiligung im neuen Landtag. Prinzipiell ist sie nach der Wahl bereit mit jeder demokratischen Partei zu reden und dabei zu sondieren, mit wem man die meisten grünen Inhalte umsetzen können würde. Auch eine Koalition mit der CDU schloss sie nicht aus.

Am Ende waren sich alle Spitzenkandidaten wieder einig. Mit der AfD will niemand koalieren.

Text: Enrico Kober
Fotos: Wenzel Oschington

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